Das Unikat
Dieser Beitrag ist ein Gastbeitrag des bekannten Motorsporthistorikers Siegfried C. Strasser. Er schreibt unter anderem für das Rossfeld-Magazin und ist Autor diverser Motorsportfachbücher.
Walter Röhrl gilt nicht nur einer der besten Rallyefahrer aller Zeiten, er ist auch abseits der Strecke sehr engagiert. Unter anderem als Botschafter für den Internationalen Edelweiß Bergpreis Roßfeld Berchtesgaden, die sportliche große Schwester der EdelweißClassic . Umso mehr freuen wir uns, ihn als Teilnehmer der diesjährigen Ausgabe der EdelweißClassic begrüßen zu dürfen
Als Kind litt er unter seinen roten Haaren. Er wurde verspottet, verdroschen, ging 10 Minuten vor Schulschluss zu Mutter und Bruder, um nicht wieder in eine Rauferei verwickelt zu werden. Irgendwann, das spürte er, zeig ich’s euch, dass ich besser bin als ihr alle miteinander!
Und das tat er auf seine unnachahmliche Weise. Er wurde der beste Rallyefahrer, der König der Quertreiber, zweimal Weltmeister, gewann die Monte viermal, jeweils in einem anderen Auto. Er war stets total fokussiert auf seinen Sport, alles andere kam danach, auch seine Monika. Eine andere, sagt er, hätte mich niemals ausgehalten.
Sein impulsives Naturell ließ ihn nie vor der Wahrheit zurückschrecken, und sei sie noch so peinlich. Er sagte die Dinge so, wie er sie in dem Moment dachte. Auch wenn er damit den einen oder anderen vor den Kopf stieß.
Jeder kennt die Geschichte vom Affen, der den Allrad-Audi steuern konnte. Röhrl saß in einem heckgetriebenen Opel Ascona. Michele Mouton führte in der WM. Eine Frau war schneller als er! Das konnte nicht sein! In einem Interview sagte Mouton später, sie könne er mit dem Affen nicht gemeint haben, denn „Mouton“ heiße ja „Schaf“. Am Ende war doch wieder der baumlange Regensburger Weltmeister, obwohl er da noch keinen Quattro hatte.
Röhrl war stets Asket, wenn es darum ging, seinem Sport zu dienen. Er ging um halb zehn ins Bett, wenn die anderen noch feierten bis zwei in der Früh. Er musste am nächsten Tag acht Stunden im Auto voll konzentriert sein. Er musste mit den unglaublichen Gruppe-B-Autos einen Ritt auf der Kanonenkugel absolvieren. Ein Fehler war ausgeschlossen. Selbst heute noch raucht er nicht, trinkt kaum Alkohol und betreibt Sport mit seinem Bike. Oder fährt Schi, wie damals, als er noch keine Rallyes bestritt und sein Freund Herbert ihm in den Ohren lag, sich um einen Werkvertrag bei einer Autofirma zu bemühen. Das erledigte sein Freund dann für ihn, schrieb Briefe und überzeugte schließlich Jochen Neerpasch von Ford, dass Walter der beste Autofahrer von allen war.
Um sich das einzig gscheite Auto zu kaufen, wie sein Bruder sagte, einen Porsche, verzichtete er auf alles, was junge Leute meistens am liebsten tun: Walter ging nie aus, nie in eine Disco, er sparte sich alles vom Mund ab, lebte bei der Mutter, damit er sich einen 356 kaufen konnte. Sein großes Vorbild, sein Bruder, verunglückte mit einem 356 tödlich. Der 356 C Coupé war sein erstes Auto. Noch heute hat er von jedem luftgekühlten 911 ein Exemplar in seiner Garage. Jahrelang war er Porsches Testpilot, fuhr jeden neuen Porsche, bevor er auf den Markt kam. Seine klaren Worte, seine Expertise, all das kam Porsche zugute.
Walter Röhrl fuhr auch Rundstreckenrennen für Audi, war in Amerika in der Transam und in der IMSA im Einsatz, aber seine größte Befriedigung war das Rallyeauto. Er war der erste Mensch am Pikes Peak unter 11 Minuten. 20 Kilometer Schotter, 156 Kurven, über 4000 Meter hoch.
Er sah besser als die anderen, in der Nacht, im Wald, im Nebel. Stichwort: Arganil. Er schlug alle um 10 Minuten bei der Monte, obwohl seine Kontrahenten im gleichen Auto die neuen, die besseren Reifen aufgezogen hatten.
Er hasste die Safari, weil sie für ihn keine Herausforderung darstellte und er nichts dafür erübrigen konnte, dass edelste Technik im Schlamm zerstört wurde.
Er hatte mit Christian Geistdörfer seit Mai 77 die „Mutter fürs Kleinkind“, die ihm alles abnahm, sodass er sich voll und ganz aufs Fahren konzentrieren konnte. Er trieb das Rallyefahren auf eine neue Perfektionsstufe dank seinem fotografischen Gedächtnis, seinem analytischen Verstand und seinem Talent. Sein Balancegefühl, das er vom Skifahren auf die Rallyepiste transformiert hatte, ließ ihn schneller sein als die anderen. Bei jedem Wetter. Auf jedem Terrain. Heute ist alles anders, ein Ogier hat es schwerer als er, denn heute sind die Autos einfach zu fahren, auch Halbblinde können damit genauso schnell sein. Heute fahren sie von 7 bis 19 Uhr, damals fuhren sie 40 Stunden nonstop. Einen Rallyepiloten wie Walter Röhrl kann es nur einmal geben. Er wollte nie berühmt sein. Aber er wurde es.